Geschichte der Dorfkirchengemeinde Lankwitz


 



Die Gemeinde um die Dorfkirche Lankwitz ist wahrscheinlich mindestens 800 Jahre alt.
Der Ortsname „Lankwitz“ bedeutet „Wiesendorf“, wird aber auch mit „Dorf an der Uferaue“ übersetzt. Letzteres deutet auf eine wasserreiche, auch sumpfige Umgebung hin, die dem Dorf Fischreichtum, aber auch häufige Überschwemmungen bescherte. Erst die Fertigstellung des Teltowkanals 1906 sollte die Entwässerungsprobleme dauerhaft lösen.

Das erste schriftliche Zeugnis über das Dorf Lankwitz besagt, dass es im Jahre 1239 dem kurz zuvor gegründeten Benediktinerinnenkloster in Spandau überschrieben wurde. Es gehörte damit zum Grundbesitz des Klosters, auch die Abgaben der Bauern – wohl in haltbaren Lebensmitteln wie Getreide, Erbsen oder Linsen – flossen dem Kloster zu. Den Kirchenzehnt, der eigentlich für die Versorgung eines Pfarrers bestimmt war, durfte ab 1265 ebenfalls das Kloster einziehen. Demnach hatte Lankwitz damals noch keinen eigenen Pfarrer. Der Priester musste über den „Priesterweg“ aus Schöneberg kommen, wenn er im Dorf etwas zu tun hatte; und wahrscheinlich gab es noch nicht jeden Sonntag einen Gottesdienst. Erst für das Jahr 1313 wird der erste eigene Pfarrer für Lankwitz genannt, er hieß Arnold Weyger.

Die Kirche bestand schon längere Zeit. Bis ungefähr 1250 muss es ein einfacher Holzbau gewesen sein, dann wurde aus Feld- und Findlingssteinen und, wie man am Apsisgewölbe im Osten sehen kann, auch einigen kleineren Ziegeln der steinerne Kirchbau errichtet, noch ohne Turm. Die massige Bauweise bedeutet nicht, dass die Kirche eine „Wehrkirche“ gewesen wäre, sondern entsprach dem damals gewohnten, mancherorts schon etwas „altmodischen“ spätromanischen Baustil. Typisch dafür sind die schmalen Rundbogenfenster, deren Form man noch in der Apsis sieht. In ihrer Größe und Ausstattung genügte sie dem Bauerndorf für mehrere Jahrhunderte, denn es hatte kaum über hundert Einwohner – noch im Jahre 1800 waren es nur 189.

Ab 1534 setzten die Landesherren, die Kurfürsten von Brandenburg, in ihrem Territorium die Reformation durch, hoben die Klöster auf und zogen den klösterlichen Grundbesitz ein. Statt Klosterbesitz zu sein, wurde Lankwitz dem landesherrlichen „Amt“ Spandau unterstellt; die Abgaben der Bauern kassierte nun der Amtmann in Vertretung des Landesherrn. Adlige Grundherren mit Herrschaftsrechten gab es in Lankwitz nicht, und grundsätzlich durften Adlige vor dem 19. Jahrhundert auch kein Land erwerben, das in bäuerlicher Hand war.

Das galt aber nicht für bestimmte bevorrechtigte Güter, und diese Möglichkeit nutzten im 18. Jahrhundert zwei adlige Familien. 1748 erwarb die Familie von Kalckreuth das „Kruggut“, das zum Gasthof gehörte, 1786 ging das „Lehnschulzengut“, der größte Bauernhof des Dorfes, an General Ernst Ludwig von Pfuhl (1716 – 1798). Zu diesem Gut gehörte das Gutshaus, das heute noch steht und heute der Gemeinschaft Chemin Neuf dient. Das Herrenhaus der Kalkreuths, erbaut in den 1760er Jahren gegenüber der Kirche, wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört.
 
In den Jahren 1757 – 1759 wurde die Dorfkirche nach dem damaligen Zeitstil des „Aufklärungszeitalters“ umgebaut. Sie erhielt einen Turm mit Turmhaube, Hahn und Wetterfahne und statt der schmalen romanischen Fenster große Rundbogenfenster, weil man helle, lichtdurchflutete Räume schätzte.

Am stärksten aber wurde der östliche Bereich der Kirche umgestaltet. Der „Triumphbogen“ zwischen Kirchenschiff und Chor wurde abgerissen, die Apsis, der östliche Abschluss des Gebäudes, durch eine halbhohe Mauer, an der die Kanzel „klebte“, vom Kirchenraum getrennt und fortan als Sakristei genutzt. Das war nicht ohne verborgene Symbolik: Im Mittelalter hatten alle Kirchen nach Osten ausgerichtet sein müssen, weil man vom Osten her die Wiederkunft Christi am Ende der Zeiten erwartete. Die Aufklärungszeit hoffte weniger auf das Ende aller Zeiten als auf „Fortschritt“ in der irdischen Zeit. An diesem Fortschritt – wie ihn die Landesherrschaft verstand – sollten auch die Kirchengemeinden teilnehmen und beispielsweise auf den Kirchhöfen Maulbeerpflanzungen für die Seidenraupenzucht anlegen. Der Blick nach Osten wurde folgerichtig im wahren Sinne des Wortes „verbaut“.

Trotz der Veränderungen in Besitzstruktur und Kirchenbau blieb Lankwitz bis ins 19. Jahrhundert im Wesentlichen ein Bauerndorf. Das änderte sich erst Ende der 1860er Jahre, als zunehmend Bürger bäuerliches Land in Lankwitz kauften – das war nun möglich – und darauf ihre „Villen“ als Wohnsitz oder Sommeraufenthalt errichteten. Mit wachsendem Wohlstand konnte die Gemeinde sich eine Orgel leisten, die im Jahre 1880 eingebaut wurde. Kurz nach 1900 bekam die Kirche zwei zusätzliche Glocken – das gesamte Geläut ist allerdings im Ersten Weltkrieg eingezogen und eingeschmolzen worden.

Kirchen-organisatorisch war Lankwitz – wahrscheinlich wie seit den Anfängen – bis zum Ende des 19. Jahrhunderts keine eigenständige Pfarrei, sondern wurde von den Schöneberger Pfarrern mitversorgt. Sie mussten in Schöneberg wie in Lankwitz Gottesdienste halten. Erst zum 1. Oktober 1894 wurde die Lankwitzer Gemeinde von Schöneberg abgetrennt und hatte fortan „eigne“ Pfarrer. Der erste Pfarrer der eigenständigen Gemeinde Lankwitz, Ernst Martin Hugo Schacht (1858 – 1917) leitete auch den Aufbau der Dreifaltigkeitskirche um 1900. Bis dahin hatte die Dorfkirche allein der wachsenden evangelischen Gemeinde dienen müssen.

Aus dem allmählichen wurde stürmisches Wachstum, als 1895 der Haltepunkt „Lankwitz“ der Anhalter Bahn eingerichtet wurde. Nun lag das Dorf verkehrsgünstig, im Grünen und doch nahe bei Berlin. Der Bebauungsplan von 1906 sah vor, dass aus Lankwitz eine „Gartenstadt“ werden sollte, eine art grüner Vorort mit aufgelockerter Bauweise. Später wurden dort aber auch Kasernen angelegt. Die Einwohnerzahl wuchs rasch auf etwa 12 000 Einwohner (1920). Kein Wunder, dass der Neubau der Dreifaltigkeitskirche notwendig geworden war.

Die Dorfkirche selber behielt ihre im 18. Jahrhundert erhaltene Gestalt und wurde erst in den Jahren 1836 – 1938 unter dem Architekten Gustav Wolf (1887 – 1963) erneut umgebaut. Wolf stand dem Anliegen des „Werkbunds“ nahe, handwerkliche Traditionen aus früheren Zeiten mit den Mitteln industrieller Fertigung fortzuführen. So mag es ihn gereizt haben, die ältere Gestalt der Kirche wiederherzustellen und die Veränderungen der Aufklärungszeit zurückzunehmen. In gewisser Weise lag aber auch das im Geist der Zeit: Das Fortschritts-Ideal der Aufklärung war für viele Menschen spätestens im Ersten Weltkrieg fraglich geworden oder zerbrochen und galt als nicht mehr zeitgemäß; in den evangelischen Kirchen besann man sich wieder stärker auf das Erbe der Reformation und auch auf manche mittelalterlichen Traditionen.
Die Umbaumaßnahmen der Dreißiger Jahre trugen beiden Tendenzen Rechnung: Der Triumphbogen wurde in einer schlichten Gestalt wiederhergestellt, die Trennwand zur Apsis abgerissen, der freie Blick nach Osten war wieder möglich. Die Apsis erhielt statt eines großen Fensters zwei schmale wie in alter Zeit. Der Eingang, seit dem 18. Jahrhundert über einen südlichen Vorbau, wurde im Sinne der Tradition wieder nach Westen gelegt. In ganz moderner Art erhielt die Kirche damals einen Steinfußboden und, offenbar erstmals, eine Heizungsanlage. Allerdings sollte die Kirche in dieser Gestalt nur fünf Jahre lang bestehen.

Die „Bombennacht von Lankwitz“ im Zweiten Weltkrieg (23./24. August 1943) prägt die kollektive Erinnerung der Gemeinde zum Teil bis heute. Durch einen Bombenangriff wurde Lankwitz – seit 1920 ein Stadtteil von Berlin – zu 85% zerstört. Von der Dorfkirche blieben nur noch die Grundmauern stehen, die Glocken waren schon früher abtransportiert und eingeschmolzen worden.

Erst 1950 begann der Wiederaufbau des Stadtteils - für dann 19 000 Einwohner –, und erst 1955/56 erstand die Kirche neu unter der Leitung des Architekten Wolfram Konwiarz – mit einem etwas schlankeren Turm als früher.

Die Orgel baute die Berliner Firma Schuke. Eine Glocke erhielt die Gemeinde aus Kladow für den symbolischen Preis von 50 D-Mark. Diese Glocke existiert heute noch.

Ebenfalls 1956 gestaltete Paul Ohnesorge die Glasfenster in der Apsis. Sie zeigen in symbolischer Gestalt die Grundlagen protestantischen Glaubens: im linken  Fenster das Wort Gottes, dargestellt durch die Symbole der vier Evangelisten, im rechten die Sakramente Taufe und Abendmahl mit dem Fisch als Christussymbol und der Taube des Heiligen Geistes.
 
Einige der damaligen Modernisierungen, z. B. in Sachen Schalldämmung und zum Schutz der Wände, erwiesen sich allerdings als auf Dauer nicht alltagstauglich und wurden bei der Sanierung 1974 – 1977 (Architekt: Hans-Joachim Arndt) wieder zurückgenommen. Seitdem hat die Kirche im Innern ihre heutige Gestalt: den Mineralfarben-Verputz, der in der Apsis die Gewölbesteine hervortreten lässt, die Orgelempore – sie ist einer 1809 eingebauten Loge nachempfunden –  die in der Sanierung wiederhergestellte Holzdecke und die kugelförmigen Lampen.

Das Altarbild stammt von 1550 und ist eine Dauerleihgabe aus der Berliner St.-Marien-Kirche. Es zeigt die Familie des Berliner Bürgermeisters Joachim Reich unter einer Kreuzigungsdarstellung. Seit 1995 hat die Kirche auch wieder drei Glocken, da beim Abriss des Rufus-Gemeindehauses dessen Glocken in die Dorfkirche gebracht wurden. Auch das Kreuz auf dem Altar stammt aus dem Rufus-Gemeindehaus. Ein Teil der Fensterverglasung des Gemeindesaals im Rufus- Gemeindehaus ist in das neue Gemeindezentrum Alt-Lankwitz 9 eingebaut worden.
 
Eine selbständige „Dorfkirchengemeinde Lankwitz“ gibt es übrigens erst seit 1963. Damals wurden aus der einheitlichen Kirchengemeinde Lankwitz die vier Teilgemeinden, von denen die Dorfkirchengemeinde eine ist. Mit der grünen Farbe, in der sie sich im Gemeindebrief „Kirchenfenster“ präsentiert, weist sie heute auf ihre ländlichen Ursprünge hin – grün wie der Dorfanger, die allgemeine Viehweide in früheren Zeiten – und damit auch auf ihre Geschichte als der ältesten der Lankwitzer Kirchengemeinden.

Prof. Esther-Beate Körber 



 

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